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StaRUG: § 102 StaRUG: Neue BGH-Entscheidung zur Beraterhaftung

Zu der Verpflichtung von Beratern, ihre Mandanten auf einen möglichen Insolvenzgrund hinzuweisen, gibt es eine neue Entwicklung, die in der Praxis insbesondere Steuerberater betrifft. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 29.06.2023 - IX ZR 56/22 genauere Grundsätze zu den Hinweis- und Warnpflichten aufgestellt.

1. Warnpflichten bei Jahresabschluss (§ 102 StaRUG)

In der Praxis der Steuer- und Rechtsberatung stellt sich die Frage, in welchen Fällen eine Hinweispflicht auf einen möglichen Insolvenzgrund nach § 102 StaRUG besteht. Gesetzlich geregelt ist der Fall, dass bei der Erstellung eines Jahresabschlusses entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind. Bei einem Mandat, das die Erstellung des Jahresabschlusses betrifft, greift die Warn- und Hinweispflicht somit unzweifelhaft ein. Solche Anhaltspunkte können für den Steuerberater etwa dann offenkundig sein, wenn die Jahresabschlüsse der Gesellschaft in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge aufweisen. Dies kommt weiter in Betracht, wenn für den Steuerberater offenkundig ist, dass die bilanziell überschuldete Gesellschaft über keine stillen Reserven verfügt. Maßgeblich für die Frage, ob eine Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters besteht, sind dabei nur die von ihm für den zu erstellenden Jahresabschluss zu prüfenden Umstände (vgl. Rn. 45 des Urteils).

2. Warnpflichten bei sonstigen Aufträgen

Außerhalb von § 102 StaRUG ist der Fall eindeutig, dass der Berater gerade mit der Beurteilung einer Krisensituation betraut wird (Rn. 22 des Urteils). In einem solchen Falle besteht die unmittelbare vertragliche Verpflichtung, auf Insolvenzgründe und die Folgen hinzuweisen.

Schwieriger zu beurteilen sind die Fälle, in denen der erteilte Auftrag selbst keinen unmittelbaren Bezug zur Krisensituation hat. Der neuen BGH-Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass die Hinweis- und Warnpflicht für einen Rechtsanwalt auch dann in Betracht kommt, wenn er eigentlich nur mit der Durchsetzung einer zivilrechtlichen Forderung beauftragt wurde oder eine rechtliche Gestaltung unabhängig von einer Krise der Mandantin vornehmen soll (Rn. 21 der Entscheidung). Dies entspricht der Rechtsprechung des IX. Senats aus dem Jahre 2017, wonach auch außerhalb eines (beschränkten) Mandatsgegenstands eine Hinweispflicht dort des Steuerberaters angenommen wurde, soweit die Gefahren ihm anlässlich seiner sonstigen Tätigkeit bekannt werden oder für ihn offenkundig sind, oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen und er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist (BGH vom 26.01.2017 - IX ZR 285/14 Rn. 44 ff.).

Wann bei einem Auftrag, der eigentlich nichts mit der Krise des Mandanten zu tun hat, eine Hinweispflicht eingreift, hängt danach von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab. Nach der Rechtsprechung des BGH soll es darauf ankommen, ob die Insolvenzgefahr und die Interessen des Auftraggebers mit dem Auftrag des Beraters in einem engen Zusammenhang steht (Rn. 44). Wird der Steuerberater beispielsweise mit der Erstellung einer Prognoserechnung beauftragt, mag dies zunächst keinen Krisenbezug haben. Ob sich ein solcher aus ergänzenden Erläuterungen des Mandanten oder einer Zusammenschau mit dem Berater ohnehin bekannten Umständen aber doch begründen lässt, wird eine Frage des Einzelfalles sein. Beispielsweise könne sich in der Buchhaltung Vollstreckungsvorgänge befinden, nach den monatlichen Auswertungen kann ein erheblicher Verlust zu verzeichnen sein, der nach den Ergebnissen der Vorjahre eine ohnehin bereits schwierige Situation noch verschärft, oder der Mandant kann eine Rangrücktrittsvereinbarung benötigen. In all diesen Fällen ist nicht ausgeschlossen, dass später eine hinreichende Nähe der Tätigkeit zu der Krisensituation bejaht und eine Hinweispflicht angenommen wird. Spielt die insolvenzrechtliche Bewertung in die sonstige Tätigkeit - wenn auch nur mittelbar - hinein, wird im Zweifel eine Warn- und Hinweispflicht eingreifen. Es liegt damit eine rechtliche Grauzone vor, in der Vorsicht geboten ist.

3. Zur Haftung gegenüber der Geschäftsführung persönlich

Zu der weiteren Frage, ob auch Geschäftsführer und Vorstände persönlich Schadensersatzansprüche wegen einer Verletzung der Warn- und Hinweispflicht haben können, hat der IX. Senat eine differenzierte Betrachtungsweise entwickelt. Im Ausgangspunkt soll es genügen, dass ein Näheverhältnis zu der nach dem Mandatsvertrag geschuldeten Hauptleistung besteht. Für persönliche Schadensersatzansprüche soll es dann darauf ankommen, ob der Berater einen originären Auftrag zur Beurteilung oder Bearbeitung einer Krisensituation hatte. In diesem Falle sei er, da die Insolvenzantragspflicht nach § 15 a InsO und die zentrale Haftungsnorm des § 15 b InsO (verbotene Zahlungen in der Krise) sich an die Geschäftsleiter persönlich richten, auch ihnen gegenüber für eine Pflichtverletzung haftbar.

Anders bewertet der IX. Senat die Rechtslage, wenn der eigentliche Auftrag unabhängig von einer Krise der Mandantin erteilt wurde. Greift die Warn- und Hinweispflicht bei Gelegenheit eines solchen Auftrages ein, kann nur die Gesellschaft, nicht aber die Geschäftsleitung persönlich hieraus Schadensersatzansprüche ableiten.

Im Ergebnis bestätigt das neue Urteil des IX. Senats, dass die beratende Tätigkeit bei Jahresabschlüssen und mit konkretem Bezug auf eine Krisensituation eine Warn- und Hinweispflicht auslöst, die sowohl gegenüber der Auftraggeberin, wie auch gegenüber ihrer Geschäftsführung persönlich Schadensersatzansprüche begründen kann.

Bei nicht krisenbezogenen Aufträgen begrenzt der BGH diese Haftung auf den unmittelbaren Auftraggeber. Unter welchen Umständen der Mandant bei Gelegenheit von eigentlich anderweitigen Aufträgen trotzdem auf mögliche Insolvenzgründe hinzuweisen ist, hängt von der wertenden Betrachtung ab, ob sich aufgrund aller Umstände des Einzelfalles ein entsprechender Hinweis aufdrängt. In Zweifelsfällen wird der Berater gut daran tun, den Hinweis auf den möglichen Insolvenzgrund und die daraus folgenden Handlungspflichten zu erteilen und dies zu dokumentieren.



11. September 2023

Dr. Alfred Ponzer

Rechtsanwalt

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