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StaRUG: Gemeinsamer Vertreter bei Anleihen

Der Gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger vertritt die Anleihe in einem StaRUG-Verfahren alleine und exklusiv (§ 19 Abs. 6 SchVG). Die Anleihegläubiger sind persönlich nicht unmittelbar an dem Verfahren zu beteiligen.

Hintergrund

Gerät ein Unternehmen, das eine Anleihe begeben hat, in eine Krise, stehen die Anleihegläubiger wirtschaftlich zwischen dem Fremd- und dem Eigenkapital. Wenn die Anleihebedingungen dies vorsehen, können in gesonderten Gläubigerversammlungen Sanierungsmaßnahmen wie eine Stundung, Zinsermäßigungen, ein Schuldenschnitt oder auch ein Wechsel der Anleger in das Eigenkapital des Unternehmens beschlossen werden (§ 5 SchVG). Sind 50% der Anleger präsent oder vertreten, können mit einer Mehrheit von 75% der Teilnehmer die Anleihebedingungen mit verbindlicher Wirkung für alle Anleger geändert werden.

Die Bedingungen der typischen Mittelstandsanleihen enthalten in aller Regel die entsprechenden Passagen. In der Praxis sind entsprechende Gläubigerversammlungen aber oft nicht beschlussfähig, weil das Quorum von 50% Anwesenheit in einer ersten Versammlung und auch das verminderte Quorum von 25% in der zweiten Versammlung verfehlt werden. Damit ist der Weg für Sanierungsmaßnahmen, die verbindlich gegenüber allen Anleihegläubigern wirken, eigentlich verbaut.

Mit dem StaRUG ist in solchen Fällen seit Jahresbeginn 2021 nunmehr ein möglicher Ausweg vorhanden, wenn entweder bereits von der Gesellschaft in den Anleihebedingungen ein Gemeinsamer Vertreter der Anleihegläubiger bestellt wurde, oder er von den Anleihegläubigern in einer späteren Gläubigerversammlung eingesetzt wird. Denn der Gemeinsame Vertreter ist nach § 19 Abs. 6 SchVG berechtigt, seine Anleihe im StaRUG-Verfahren alleine und exklusiv zu vertreten. In Abstimmungen vertritt er somit genauso wie in einem Insolvenzverfahren (§ 19 Abs. 3 SchVG) die vollen 100% der Gesamtheit der Anleihegläubiger. Gibt es für die Anleihe eine eigene Gruppe, was regelmäßig der Fall sein wird, stellt er alleine mit seiner Zustimmung die in dieser Gruppe nach § 25 StaRUG erforderliche Mehrheit von 75% sicher. Hat der Gemeinsame Vertreter die Zustimmung für seine Anleihe erteilt, steht den einzelnen Anleihegläubigern keine mehr Möglichkeit zu, dagegen ein Rechtsmittel im StaRUG-Verfahren einzulegen oder eine Anfechtungsklage zu erheben. Sie sind an diese Zustimmung (im Außenverhältnis zur Emittentin) gebunden.

Praxistipps

Der Gemeinsame Vertreter ist zwar im Außenverhältnis kraft Gesetzes unbeschränkt vertretungsbefugt. Das bedeutet aber nicht, dass er die Zustimmung im Einzelfall ohne weiteres erteilen darf. Denn er ist im Innenverhältnis gegenüber den Anleihegläubigern verpflichtet, deren Interessen zu vertreten. Seine Stellung gleicht der eines Anwalts zu seinem Mandanten. Er hat die Anleihegläubiger zu unterrichten und ihre Weisungen zu beachten und kann ansonsten abberufen werden (§ 8 SchVG).

Im wirtschaftlichen Ergebnis geht es darum, dass den Anleihegläubigern in einem StaRUG-Verfahren keine überzogenen Sonderopfer abverlangt werden und dass ein faires Verhältnis zu den Sanierungsbeiträgen der anderen Gläubiger und denjenigen der Gesellschafter besteht.

Dem Gemeinsamen Vertreter kommt dabei eine zentrale Rolle zu. In aller Regel werden die gesetzlichen Haftungsregelungen bei seiner Bestellung modifiziert und ihm Haftungserleichterungen zugestanden. Im Hinblick darauf, dass der Gemeinsame Vertreter vom Unternehmen vergütet wird, besteht in seiner Person auch ein gewisser Interessenkonflikt. Umso mehr besteht Anlass, die Anleihegläubiger persönlich in den Entscheidungsprozess einzubinden.

In Gläubigerversammlungen, die dem eigentlichen StaRUG-Verfahren vorgeschaltet sind, kann den Anleihegläubigern persönlich Gelegenheit zu einer Erörterung und Prüfung der beabsichtigten Sanierungsmaßnahmen gegeben und damit sichergestellt werden, dass die Zustimmung im StaRUG-Verfahren vom Gemeinsamen Vertreter nur erteilt werden darf, wenn die Mehrheit der Anleihegläubiger hinter dem Sanierungskonzept steht. Denkbar ist etwa, dass die Versammlung dem Gemeinsamen Vertreter konkrete Vorgaben macht und dieser die Zustimmung nur erteilen darf, wenn diese ihm vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt sind, z. B. ein Schuldenschnitt eine gewisse Quote nicht überschreitet.

Ferner ist der vom Gericht eingesetzte Restrukturierungsbeauftragte verpflichtet, das Sanierungskonzept zu prüfen und zu bewerten. Zu bedenken ist, dass das Unternehmen versuchen wird, dessen Auswahl zu beeinflussen und zu erreichen, dass das Restrukturierungsgericht entsprechenden Vorschlägen folgt. Aus Sicht der Anleihegläubiger, die sich selbst in aller Regel selbst kein umfassendes eigenes Bild von den wirtschaftlichen Gegebenheiten machen können, besteht ein Interesse, dass ihre Rechte auch an dieser Stelle angemessen gewichtet werden. Deshalb sollte das Gericht einen möglichst neutralen Beauftragten einsetzen, worauf die Anleihegläubiger durchaus hinwirken können, sei es über ihren Gemeinsamen Vertreter oder unmittelbar persönlich.

Aufgrund der kurzen Fristen, die das StaRUG vorsieht, wird über die Position der Anleihegläubiger oftmals sehr schnell entschieden werden müssen und das Argument kommen, dass keine ausreichende Zeit für vorbereitende Gläubigerversammlungen nach dem SchVG und weitere Prüfungen verbleibt.


07. September 2021

Dr. Alfred Ponzer

Rechtsanwalt

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