Sanierungsvereinbarung-Konsortialkreditvertrag

StaRUG: Haftung des Sanierungsberaters

Für die Erarbeitung eines Sanierungskonzepts bleibt kein Raum mehr, wenn bereits Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist und diese nicht binnen 3 Wochen beseitigt werden kann. In einem späteren Insolvenzverfahren kommt neben der Anfechtung und Rückforderung der geleisteten Zahlungen des Beraterhonorars ein Anspruch der Insolvenzmasse auf Schadensersatz in Betracht (OLG Köln vom 13.10.2021 - 2 U 23/21).

Sachverhalt

Eine GmbH, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befand, erteilte einem Beratungsunternehmen den Auftrag zur Erstellung eines Sanierungs- und Finanzierungskonzeptes. 3 Monate später legte die Beraterin ein Sanierungskonzept vor, wonach eine positive Zukunftsprognose vorliege, die Liquiditätssituation aber angespannt sei. Selbst mit neuem Geld benötige man ein gutes halbes Jahr zum Abtragen fälliger Verbindlichkeiten.

Die Beraterin unterstützte die GmbH außerdem bei der Erstellung und Erfüllung laufender Zahlungspläne. Es erfolgte eine Abstimmung, welche fälligen Verbindlichkeiten wann und in welcher Höhe voll oder teilweise bezahlt werden sollten. Für den Zahlungsverkehr wurde ein gesondertes Treuhandkonto eingerichtet. Für die Beratungstätigkeit wurden für einen Zeitraum von einem Jahr Beraterhonorare in einer Gesamthöhe von etwas über € 54.000,00 gezahlt.

Über den gesamten Zeitraum der Beratung und Betreuung gab es immer wieder Lohnrückstände, Rückstände bei Sozialversicherungen und Finanzamt, Vollstreckungsmaßnahmen auf der einen und die Zahlungen nach den abgestimmten Zahlungsplänen auf der anderen Seite.

Es lag eine tiefe Unternehmenskrise und ein mehrmonatiger Sanierungsversuch vor, der letztlich fehlschlug und dazu geführt hat, dass in der nachfolgenden Insolvenz die Haftung des Sanierungsberaters geprüft wurde. Auf eine bestehende Insolvenzantragspflicht hatte die Beraterin den Geschäftsführer der GmbH nicht ausdrücklich hingewiesen. Erst unmittelbar vor dem Insolvenzantrag erfolgte der Ratschlag, die Insolvenzantragspflicht durch einen Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Als dessen Einschätzung vorlag, wurde Insolvenzantrag gestellt.

Der Insolvenzverwalter hat im Wege der Anfechtung nach § 133 InsO Rückzahlung der Beraterhonorare gefordert. Mit seiner Klage hat er außerdem ca. 430.000,00 € an Schadensersatz geltend gemacht. Der Insolvenzverwalter hatte sich vom Geschäftsführer persönlich Schadensersatzansprüche abtreten lassen, die darauf gestützt wurden, dass die Beraterin den Geschäftsführer auf die Insolvenzantragspflicht aufmerksam hätte machen müssen. Da diese vertragliche Pflicht verletzt worden sei, hafte der Berater gegenüber dem Geschäftsführer für Folgeschäden, die diesem persönlich entstanden seien. Dies waren die in der Krise von ihm noch geleisteten Zahlungen des § 64 GmbHG (a.F.) bzw. seine Haftung gegenüber der Insolvenzmasse.

Rechtliche Bewertung

Bereits das Landgericht als I. Instanz hat die Sanierungsberaterin verurteilt, die Beraterhonorare in voller Höhe an den Insolvenzverwalter zurückzuzahlen. Die GmbH sei zum Zeitpunkt der Beauftragung bereits zahlungsunfähig gewesen. Aufgrund der problematischen finanziellen Situation hätten sowohl die Geschäftsführung, wie auch die Sanierungsberaterin Kenntnis davon gehabt, dass die Zahlung der Beraterhonorare die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen musste.

Der Sanierungsversuch ändere hieran nichts. Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz könne zwar ausgeschlossen sein, wenn die Schuldnerin aufgrund konkreter Umstände - etwa der sicheren Aussicht, demnächst frische Liquidität durch Kredite zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können - damit rechnen kann, dass die Krise überwunden bzw. abgewendet werden kann (BGH vom 10.01.2013 ‑ IX ZR 28/12 Rn 16). Es müsse dann allerdings ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegen, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist und die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt, wohingegen die bloße Hoffnung, die Krise überwinden zu können, nicht ausreicht, um den Benachteiligungsvorsatz zu widerlegen (BGH a. a. O. Rn 19 f.). Da das Sanierungsgutachten die Liquiditätslücke nur aufgezeigt hatte, aber keine belastbare Lösung für eine Beseitigung der Unterdeckung durch Fremd- oder Eigenkapital enthielt, und auch keine Vergleichsgespräche mit Gläubigern über einen Teilverzicht stattfanden, hat das Landgericht angenommen, dass die Schuldnerin kein ernsthaftes Sanierungskonzept verfolgt hat und deshalb auch nicht über die bloße Hoffnung auf eine Sanierung hinaus damit rechnen konnte, dass die Krise abgewendet und das Sanierungskonzept umgesetzt werden würde.

Hinsichtlich der Schadensersatzansprüche hat das Landgericht zwar einen eigenen Schaden der GmbH verneint. Allerdings hat es einen Schadensersatzanspruch des Geschäftsführers persönlich bejaht, da er in den Schutzbereich des Sanierungsberatervertrages als Dritter einbezogen gewesen sei. Es liege ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vor. Werde die Erstellung eines Sanierungskonzepts vereinbart, sei zwar nicht zwingend ein insgesamt den Anforderungen des IDWS 6 genügendes Konzept zu erstellen. Jedenfalls die Kernbestandteile eines Sanierungskonzepts gemäß IDWS 6 seien aber zu fordern, und im Zweifel müsse ein Sanierungsberater auch ohne ausdrückliche Aufforderung und Vereinbarung auf die bestehende Insolvenzsituation hinweisen, wenn ihm die dazu relevanten Informationen zur Verfügung gestellt wurden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn er erkennen muss, dass eine Insolvenzreife vorliegt, die der Geschäftsführer selbst nicht erkannt hat. Für die zum Sanierungskonzept gehörende Prüfung, ob ein Unternehmen auf einer tragfähigen Basis fortgeführt werden könne, sei es naturgemäß erforderlich, etwaige Insolvenzantragspflichten zu prüfen und auszuschließen.

Der persönliche Schaden des Geschäftsführers, der durch die schlechte Erfüllung des Beratungsvertrages entstanden sei, bestehe in der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter nach § 64 GmbHG (a.F.). Wegen der verspäteten Stellung des Insolvenzantrags konnte der Insolvenzverwalter vom Geschäftsführer die Rückzahlung von ca. 430.000,00 € aus § 64 Satz 1 GmbHG fordern. Im Beratungszeitraum waren die Zahlungen der Kunden der GmbH auf einem debitorisch geführten Konto bei der Hausbank eingegangen. Damit hat die Geschäftsführung Bankverbindlichkeiten abgetragen und wirtschaftlich betrachtet verbotene Zahlungen an einen Gläubiger, nämlich die Hausbank geleistet.

Der Schadensersatzanspruch des Geschäftsführers wurde vom Landgericht um ein eigenes Mitverschulden gemindert (§ 254 Abs. 1 BGB). Der Geschäftsführer habe 70% des entstandenen Schadens selbst zu tragen, ein Anteil von 30% sei von der Sanierungsberaterin zu ersetzen. Insoweit sei maßgeblich, dass die Insolvenzantragspflicht in erster Linie der Geschäftsführung obliege und dass auch viele Indizien dafürgesprochen hatten, dass der Geschäftsführer die Zahlungsunfähigkeit auch ohne entsprechenden Beratungshinweis erkannt hatte. Gleichzeitig erscheine es unbillig, die Beraterin vollständig aus der Haftung zu entlassen. Sie habe ein unbrauchbares Sanierungskonzept mit unklaren und widersprüchlichen Aussagen vorgelegt und es versäumt, sogleich mit Nachdruck gegenüber dem Geschäftsführer auf eine fachkundige Prüfung der Insolvenzantragspflicht hinzuweisen, und habe stattdessen Zuversicht verbreitet.

Das Oberlandesgericht Köln (Beschluss vom 13.10.2021 - 2 U 23/21) hat die Berufung der Sanierungsberaterin gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Ergänzend hat das OLG darauf verwiesen, dass die vorliegende Fallkonstellation anders liege als im Falle des OLG Frankfurt (ZIP 2019, 1178). Im dortigen Falle habe der schriftliche Sanierungsvertag 14 konkret umschriebene Leistungspflichten umfasst und eine Beratung in steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten gerade ausgeschlossen; die dortige Auftraggeberin hatte für diese beiden Bereiche gesonderte Berater eingeschaltet gehabt. Ebenfalls nicht vergleichbar sei die Entscheidung mit dem Fall des BGH vom 26.01.2017 (zu den Pflichten eines mit der Erstellung eines Jahresabschlusses beauftragten Steuerberaters). Das erstinstanzliche Urteil hatte somit in der II. Instanz vollumfänglich Bestand.

Praxistipps

Der Fall betrifft zwar nicht direkt das StaRUG, ist aber für Sanierungen allgemein wichtig. Vergleichbar ist die Grundkonstellation, dass eine Sanierung zunächst ohne Insolvenzantrag versucht wird und - nach entsprechenden Bemühungen über Monate hinweg - wegen einem Scheitern nachträglich doch noch ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, so dass eine Aufarbeitung und die Prüfung einer möglichen Haftung im Insolvenzverfahren erfolgt. Diesen denkbaren worst case sollte kein Beteiligter außer Acht lassen, auch wenn ein StaRUG-Verfahren mit völlig redlichen Absichten vorbereitet und mit der Vorstellung auf den Weg gebracht wird, dass es zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden kann.

Sanierungsberater müssen bereits bei der Gestaltung des Beratungsvertrags entscheiden, ob sie die Prüfung der Frage der Insolvenzantragspflicht ausdrücklich als eine eigene, vereinbarungsgemäß von ihnen selbst zu leistende Tätigkeit aufführen wollen, oder ob nach dem Beratervertrag hierfür vom Auftraggeber ein weiterer, gesonderter rechtlicher Berater hinzugezogen werden muss.

Berater werden außerdem fortlaufend entscheiden müssen, wie belastbar und genau eigene Einschätzungen zur Insolvenzantragspflicht dem Mandanten mitgeteilt werden und in welcher Form, damit in etwaigen späteren Prozessen erforderlichenfalls dem Gericht saubere Nachweise vorgelegt werden können.

Als allgemeines Risiko ist einzukalkulieren, dass ein Insolvenzverwalter in der Krise noch gezahlte Vergütungen zurückfordert. Darüber hinaus wird die Gestaltung im obigen Falle, dass er sich persönliche Ansprüche des Geschäftsführers zur Geltendmachung gegenüber früheren Beratern abtreten lässt, künftig in der Praxis wohl häufiger anzutreffen sein. Dabei kann es um weitaus höhere Summen gehen, als das Beraterhonorar.


23. Dezember 2021

Dr. Alfred Ponzer

Rechtsanwalt

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