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StaRUG: Jahresbilanz 2021 – nicht der große Wurf?

Nach einem Jahr StaRUG zeigen die Zahlen aus der Praxis, dass das neue Sanierungsverfahren nur in einer ausgesprochen geringen Anzahl von Fällen praxisrelevant gewesen ist. Über 1/3 der zuständigen Restrukturierungsgerichte in Deutschland hatten keinen einzigen Fall. Allerdings hat sich das StaRUG in den öffentlich bekannt gewordenen Fällen bewährt und in den speziellen Fallkonstellationen, für die es konzipiert wurde, eine durchaus geeignete Lösung dargestellt.

Das StaRUG ist am 01.01.2021 in Kraft getreten. Es wurde als „großer Wurf“ bezeichnet und mit der hohen Erwartung verbunden, die Lücke zwischen außergerichtlichen Sanierungen und förmlich eröffneten Insolvenzverfahren zu schließen.

Nach einer Erhebung des Indat-Reports bei den 24 neu eingerichteten Restrukturierungsgerichten (www.der-indat.de - Indat-Report 01/2022) gab es bei 9 von 24 Restrukturierungsgerichten im Jahre 2021 keinen einzigen Fall. Bei den anderen Restrukturierungsgerichten gab es 22 Anzeigen für ein Restrukturierungsvorhaben, aus denen in lediglich vier Fällen gerichtlich bestätigte Restrukturierungspläne hervorgegangen sind.

Alle 18 anderen Anzeigen bei den Restrukturierungsgerichten haben sich anderweitig erledigt. Vereinzelt fanden auch StaRUG-Verfahren ganz ohne gerichtliche Beteiligung statt. Eine gänzlich gescheiterte Sanierung, bei der nach dem erfolglosen StaRUG-Verfahren doch noch ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ist öffentlich nicht bekannt geworden.

Über die Schlussfolgerungen aus diesem Befund wird in der Fachwelt diskutiert. Die geringen Fallzahlen werden als überraschend bewertet. Fest steht, dass nach dem ersten Jahr kein in der Breite der Sanierungspraxis angekommenes neues Sanierungsverfahren mit hohen Fallzahlen und einer entsprechenden praktischen Bedeutung vorliegt. Fest steht auch, dass es selbst in den gerichtlich angezeigten Verfahren nur zu sehr wenigen gerichtlich bestätigten Restrukturierungsplänen gekommen ist (rund 1/7 der Fälle). In den sonstigen angezeigten Verfahren mögen im Einzelfall anderweitige Vereinbarungen zu einer Sanierung geführt haben, ohne dass eine gerichtliche Bestätigung erforderlich war. Bekanntlich sind auch StaRUG-Verfahren gänzlich ohne gerichtliche Beteiligung denkbar (vgl. § 23 StaRUG), die vereinzelt ebenfalls stattfanden.

Da es im Jahre 2021 aufgrund der mit Corona zusammenhängenden Besonderheiten insgesamt nur wenige Unternehmenssanierungen gab und ein neues Sanierungsverfahren sich natürlich erst etablieren muss, mag 2021 nicht repräsentativ für belastbare Zukunftsprognosen sein. Letztlich hängt die Einordnung der ersten Praxiserfahrungen auch zentral von der eigenen Erwartungshaltung ab. Ein großer Wurf im Sinne hoher Fallzahlen ist dem Gesetzgeber sicher nicht gelungen. Die deutsche Regelung des Sanierungsverfahrens ist entgegen den Vorgaben der EU-Richtlinie, auf der sie basiert, auch weder einfach und effektiv, noch kostengünstig. Einige ausgesprochen wichtige Problemstellungen aus der Praxis werden weder im Gesetz, noch in den Gesetzesmaterialien überzeugend geklärt, so dass beispielsweise aus dem Bankenbereich bereits die ersten Forderungen nach einer Überarbeitung laut werden.

Bestätigt hat sich die Prognose, dass es sich bei einer Sanierung nach dem StaRUG letztlich um ein Spezialverfahren handelt, welches nur in Ausnahmefällen eine wirklich gangbare Sanierungsalternative darstellt. Gerade in diesen Fällen kann es aber für die Beteiligten durchaus die „Königslösung“ darstellen. Wahrscheinlich wird man deshalb auch in Zukunft in erster Linie an Fälle aus den Bereichen denken müssen, in denen es bereits in 2021 die folgenden, bekannt gewordenen Sanierungen gab:

Anleihebereich

Das StaRUG enthält gesonderte Regelungen zur Restrukturierung von Anleihen (vgl. § 2 Abs. 2 StaRUG). Bei dem öffentlich bekanntesten Fall des Hemdenherstellers Eterna ging es um eine demnächst auslaufende Anleihe, die weder zurückgeführt, noch verlängert werden konnte. Der wesentliche Sanierungsbeitrag wurde von den Anleihegläubigern erbracht, die auf 87,5% ihrer Anleiheforderung verzichten mussten. Dieser Sanierungsregelung hat der Gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger zugestimmt.

In einem weiteren, sehr viel weniger bekannt gewordenen Fall sind ohne jede gerichtliche Beteiligung zwei Anleihen verlängert und weitere Besonderheiten in den Anleihebedingungen neu geregelt worden. Insbesondere ist die Möglichkeit künftiger Gläubigerversammlungen nach dem SchVG nachträglich in die Anleihebedingungen aufgenommen worden.

Wenn es bei einer Sanierung zentral um eine Verlängerung der Laufzeit, neue Zinsregelungen oder einen Schuldenschnitt bei Unternehmensanleihen geht, wird sich eine Sanierung nach dem StaRUG auch künftig anbieten. Da dem Gemeinsamen Vertreter die Vertretung und die Ausübung des Stimmrechts der Anleihegläubiger in einem StaRUG-Verfahren genauso wie in einem Insolvenzverfahren einheitlich und vollumfänglich alleine zukommt (§ 19 Abs. 6 SchVG n.F.), spielt er in diesen Sanierungen eine zentrale Rolle.

Großgläubigerverzicht

In einem Verfahren in Dresden ging es darum, einen teilweisen Forderungsverzicht eines Großgläubigers zu erreichen, mit dem man sich außergerichtlich nicht über die Höhe einigen hatte können. Der gerichtlich bestätigte StaRUG-Plan hat eine Quotenzahlung vorgesehen, die das Unternehmen nach seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten erbringen konnte.

Auch in Zukunft ist sehr gut denkbar, dass die Forderungen von Großgläubigern im Rahmen eines StaRUG-Verfahrens nachverhandelt werden können und in diesem Verfahren letztlich eine angemessene und verbindliche Regelung über den Forderungsverzicht und die Modalitäten der zu leistenden Quotenzahlung an diese Gläubiger mit Hilfe des Restrukturierungsgerichts zustande kommt.

Dissens unter Gesellschaftern oder Kreditgebern

Das StaRUG-Verfahren kam außerdem in Fällen zum Tragen, in denen sich die Beteiligten nicht über den Sanierungskurs einigen konnten. In diesen Fällen ging es um einen Fall mit einem Gesellschafteraustausch und um einen Fall einer Umgestaltung der Vertragsverhältnisse unter mehreren Pool-Banken. Besteht zwischen Gesellschaftern oder unter mehreren Kreditinstituten im Rahmen einer Pool - Finanzierung keine Einigkeit über den Sanierungskurs, kann ein abweichender Beteiligter im StaRUG-Verfahren sozusagen überstimmt und letztlich beispielsweise vor die Wahl gestellt werden, ob er nach den alten Vertragsbedingungen ausscheiden oder die Sanierung unter der Geltung der neu festgelegten Vertragsbedingungen und dem neuen Kurs doch noch weiterhin begleiten will.

Corona-Folgen

Für Corona-bedingte Sanierungsfälle hat das Gesetz (erwartungsgemäß) ersichtlich bislang überhaupt keine Rolle gespielt. Ob sich dies in Zukunft ändern wird, wenn es etwa darum geht, die nach Auslaufen und Schlussrechnung der entsprechenden Hilfsmaßnahmen verbliebenen Passiva in der Bilanz der Unternehmen zu vermindern und mittel- und langfristig den Verschuldungsgrad zu senken, bleibt abzuwarten.

Zusammenfassung

Zusammenfassend gesprochen war das StaRUG-Verfahren also im Jahre 2021 in den wenigen Fällen, in denen es zur Anwendung kam, ein überaus geeignetes Mittel, ohne ein förmliches Insolvenzverfahren eine rechtsverbindliche Sanierungslösung zu bewerkstelligen. Seine grundsätzliche Tauglichkeit lässt sich trotz der geringen Fallzahlen deshalb konstatieren.

Da diese Sanierungsalternative in der Praxis im Einzelfall durchaus die Königslösung sein kann, werden jedenfalls diejenigen sie weiterhin als „großen Wurf“ bezeichnen, deren Sanierung nach diesem Verfahren erfolgreich gewesen ist.


28. Juni 2022

Dr. Alfred Ponzer

Rechtsanwalt

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